Bilderkrieger – Augenöffner, oder von der Wichtigkeit des investigativen Journalismus

Wer kennt sie? Sind sie wichtig, diese Namen? Vielleicht hat der eine oder andere den Namen Robert Capa in der Schule gehört, nebenbei gehört. Vieleicht. Kennen w ir sie? Trotz ihrer Namenlosigkeit? Vielleicht. Bestimmt. Ganz bestimmt. Aber wieder nebenbei.
Sie sind es, die uns Bilder liefern, die wir nicht gerne sehen wollen. Bilder, bei denen wir lieber wegschauen.
Bilder aber, die uns doch daran erinnern, was auf der Welt passiert, wie Menschen mit Menschen umgehen, was Politik, Hunger, Grausamkeiten  so oft und so weit verbreitet anrichtet. Es sind die Bilder von Fotojournalisten, von Kriegsfotografen, die als Augenzeugen die Greultaten und das Leben um diese herum dokumentieren und es geschichtlich archivieren. Es ist einer der höchsten Formen des investigativen Journalismus, die gefährlichste Art, Fotos zu dokumentieren, die verantwortungsvollste Art und Weise, uns zu sensibilisieren, nicht die Augen verschließen zu lassen.
Sie sind die Bilderkrieger, die auszogen, uns die Augen zu öffnen.

Und genauso betitelte Michael Kamber, ein deutscher Fotojournalist aus diversen Kriegsgebieten, sein Buch „Bilderkrieger“ über Kriegsfotografen. Sie sind nämlich die wirklichen „witness of horrible history „.

„Jemand muss es tun. Wer, wenn nicht wir.“, sagte James Nachtwey in War Photographer . Jemand muss Krieg, Grauen, Armut, Hunger, Elend, Mord, politische Lügen und Intrigen, …, dokumentieren. Es ist so wichtig, es nicht zu vergessen, dass es das gibt. Weltweit, jeden Tag, jede Sekunde. Und es ist so schwer geworden, diese Bilder zu veröffentlichen. Die Bilderflut, die Medienflut, die täglich über uns hereinbricht, lässt uns abstumpfen, die Bedeutung und Wichtigkeit vergessen. Anzeigenschalter bestimmern derweil, ob und welche Bilder neben ihren Annoncen erscheinen sollen und dürfen. Sie wollen nicht, dass neben ihren Hochglanzwerbefotos von Uhren und  Kleidern und dem so wichtigen Glanz der westlichen Welt, Bilder der Realität aus Afrika, Irak oder Tschetschenien erscheinen. „Etwas zu schwere Kost für Leute, die morgens ihr Müsli mampfen und das dann in der Zeitung sehen.“, stellte lakonisch der Herausgeber einer Tageszeitung im Film „Bang Bang Club“ fest.

Kriegsfotografen veröffentlichen nun selbst ihre Bilder in Büchern, weil selbst große Zeitungen und Magazine sie nicht drucken wollen, sich um Kosten für Einsätze in Kriegsgebieten streiten usw.

In dem Buch „Bilderkrieger“ sprechen die Fotografen darüber, warum es sie immer wieder an die gefährlichsten Orte der Welt zieht  – warum  sie es wichtig finden, Leid  und Tod zu dokumentieren und dafür so viel zu riskieren.  Sie teilen das Leben derer, die sich im Krieg befinden – und auch die Gefahr.
20 Kriegsfotografen werden in den Buch interviewt. Die Meinungen gehen weit auseinander. Embedded sein oder nicht? Bilder aus der ersten Reihe machen oder Bilder des täglichen Lebens hinter der Front? Patrick Chauvel , der schon im Vietnam-Krieg arbeitete, ist der Meinung: „Wir sind nicht hier, um zu verurteilen. Wir sind hier als Zeugen der Geschichte. Manche unserer Bilder werden Teil unseres kollektiven Gedächtnisses, darin liegt ihre Bedeutung.“
Ed Kashi hält dagegen: „Wenn wir nur informieren und Unbehagen erzeugen, werden wir die Menschen verlieren. Man muss nach mehr schauen als nach Leichen und nach Typen, die schießen. Man muss die Momente der Menschlichkeit zeigen.“

Alle gezeigten Fotos wühlen auf, gehen ans Herz, provozieren eine Haltung zum Krieg. Sie bestechen durch das Motiv, die Direktheit, die Nähe. Aber alle Fotografen sind sich doch dessen bewusst, dass ihre Bilder keine Ikonen sind.  Bilder, die eine Generation aufrütteln, verändern, bleibende Momente schaffen. An Aufnahmen der legendären Kriegsfotografen Robert Capa (1913 – 1954) oder James Nachtwey (geboren 1948) reichen sie nicht heran. Oder die Bild-Ikone von Greg Marinovich, die den Kampf gegen die Apartheit in Südafrika maßgeblich beeinflusste, von Kevin Carter, die den Menschen den Hunger in Afrika wie bisher noch nie vor Augen führte oder von Addy Adams, die Amerika gegen den Krieg in Vietnam auf die Straße brachte.

Robert Capa
James Nachtwey
Greg Marinovich
Kevin Carter
Eddie Adams

Sie wissen das, und sie sind weiter auf der Suche nach dieser „Ikone“ und machen täglich die Bilder aus Krisengebieten, die notwendig sind. Für uns und unser kollektives Gedächtnis.

Ich habe das Buch gelesen. Im Vorfeld mit den Bildern um Capa, Nachtwey und Carter im Kopf. Maximal zwei Kapitel habe ich zusammenhängend gelesen. Dann musste ich absetzen und nachdenken. Trotzdem habe ich das Buch verschlungen.
Es ist ein sehr wichtiges Buch. Für mich, für viele. Und zu viele nehmen es nicht wahr.
Medienkompetenz in der heutigen Zeit bedeutet, aus der Flut der Bilder im Fernsehen, Netz, auf dem Smartphone die zu erkennen und wahrzunehmen, die wichtig sind. Und damit habe ich eine Aufgabe in meinem Beruf, die es anzugehen lohnt. Medienkompetenz für die wirklich wichtigen Dinge in einer scheinbar immer oberflächlicher werdenden Welt zu entwickeln.

Joao Silva: „Als ich letztendlich verletzt wurde, war ich nicht überrascht. Ich dachte, verdammt, jetzt ist es passiert. Aber da war nichts von – Oh Gott, warum ich? Weil ich habe es irgendwie erwartet, sonst hatte ich immer Glück.“ Er,  Mitglied des  „Bang Bang Club“der 90-er Jahre in Südafrika, verlor in Afghanistan beide Beine durch eine russische Landmine. Über seine Arbeit, seine Einstellung zum Beruf, trotz der schweren Verletzung, hier in einem Interview.

Ein Buch, das mich sehr bewegt, Fotografen, die ich sehr achte, eine journalistische Arbeit, die ich immer mehr vermisse.
Buchempfehlung: sehr wichtig.
Dank an Stefan Krücken, der als kleiner Verleger dieses Buch herausbrachte.

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