Zeit – oder auf den Spuren 3er Generationen

image

Zeit ist unendlich. Zeit vergeht langsam, manchmal vergeht sie schnell. Wenn es drauf ankommt aber, fehlt sie. Und man hat sie oft zu wenig. Trotz vieler Bemühungen, Beteuerungen, guter Vorsätze… Also was ist dann schöner, als Zeit zu verschenken. Nicht verschenkt im täglichen Alltagsstress, sondern verschenkt als Zeit füreinander.

Was schenkt man also seinem Vater bzw. dem Opa? Eigentlich hat er alles, eigentlich will er nichts mehr, eigentlich … Aber eigentlich hat er noch so viel zu erzählen. Von sich, der Familie und das, was die eigene Geschichte ausmacht. Nur die Zeit fehlt zum Erzählen bzw. zum Zuhören. Verloren im Alltagsstress, in der Hetze nach Erfüllung beruflicher Pflichten, der eigenen (notwendigen) Erholung und vielem mehr, wir haben so viele Vorsätze, mit den Eltern/ Großeltern etwas zu machen, vieles zu erfahren – aber dann fehlt die Zeit.
Diesmal verschenkten Thomas, Martin und ich meinem Vater zu Weihnachten Zeit. Zeit mit uns dreien. Und wir beschenkten uns selbst durch Zeit mit ihm. Spurensuche familiär an einem Wochenende in Templin. Opa-Sohn-Enkel Wochenende.

Freitag Nachmittag, Beginn einer Kurzreise. Die Kinder im Auto, meinen Vater dazuladend, fuhren wir nach Templin. Schon auf der Fahrt begann die Zeitreise. Vertrieben aus der alten Heimat in Danzig, strandeten meine Oma mit den Kindern in der Uckermark. Die Amerikaner ließen Flüchtlinge nicht mehr in den amerikanischen Bereich und so begann eine örtliche Odyssee in Hindenburg, einem kleinen Dorf vor Templin. Nicht gewollt dort von den Einheimischen, egal, wo man untergebracht wurde, denn Flüchtlinge waren nie willkommen, egal woher sie kamen. Und so zog die vaterlose Familie (mein Opa war noch in französischer Kriegsgefangenschaft) sehr oft im ersten Jahr nach der Ankunft um.

Aber zuerst mussten wir einmal ankommen. Martin hatte uns eingebucht im Hotel Eichwerder im Stadtinneren. Alles klappte und wir suchten dann für den Abend eine Kneipe zum Essen und zum Sitzenbleiben. Die fanden wir auch 100m weiter im Grünling. Urige Kneipe und wir hatten direkt am Thresen den eigentlichen Stammtisch. Bis zum Schluss der Öffnungszeit und bei einem sehr lustigen Abend. Ein toller, feuchtfröhlicher Einstieg ins Wochenende.
  PEK_0862 PEK_0864

Morgens nach dem Frühstück begann die „Stadtführung“. Vorbei an alten, schiefen, aber schön sanierten Fachwerkhäusern, der Stadtmauer, dem Gymnasium von Angela Merkel (die Autonummer UM steht wohl nicht für Uckermark, sondern für „unsere Merkel“ 🙂 ), zeigte mein Vater uns den alten Bootsschuppen meiner Großeltern, einen der vielen Zwischenunterkünfte nach dem Krieg, die Arbeitsstellen meiner Großeltern usw. Wir liefen quer durch die Stadt bis zum Friedhof und dem nun eingeebneten Grab meiner Großeltern. Kurz dahinter befindet sich übrigens die Grabstelle der preußischen Jeanne d’Arc, Friederike Krüger.

PEK_0866 PEK_0865 PEK_0897

Stadmauer

PEK_0869 PEK_0868 PEK_0873

Bootsschuppen (da etwa, wo die Bäume sind) und einer der ersten Wohnungen nach der Fluchte (mittig unten rechts im dunkelgrauen Haus)

PEK_0870  PEK_0871

Fassadenansicht im heutigen Templin

PEK_0896 PEK_0891 PEK_0893

auf dem Friedhof, rechts die ursprüngliche Grabfläche

Ja – und dann wollte mein Vater unbedingt mit uns hoch auf den Glockenturm, die schöne Stadtaussicht zeigen. Er mit 78 Jahren also die Holztreppe zur Aussichtsplattform hoch. Wetter und Aussicht waren dann herrlich.

PEK_0890 PEK_0877 PEK_0887 PEK_0886 PEK_0885 PEK_0882 PEK_0881 PEK_0880 PEK_0878  PEK_0876 PEK_0875

Dann fuhren wir zu seiner ehemaligen Schule, dem alten Gymnasium in Templin (http://de.wikipedia.org/wiki/Joachimsthalsches_Gymnasium). Später wurde es ein Institut für Lehrerausbildung, an dem meine Mutter studierte. Dort lernten sich beide 1957 auch kennen. Mein Vater zeigte uns, wo sie im Institutsinternat wohnte (zweite Gaube oben links). Wir schauten uns auf dem Gelände um und hörten viel um Schule, dem Kennenlernen und und und …

PEK_0910 PEK_0909 PEK_0905 PEK_0903 PEK_0902

Mittags waren wir kurz am „Fährkrug“, denn dort fuhr mein Opa mit mir oft im Angelkahn vorbei und dann aßen wir schön und ruhig in der Gaststätte am Strandbad zum Mittag. Das Wetter war perfekt. Wahrscheinlich hat das meine Mutter organsiert, denn die Tage vorher war es nicht besonders. Und ihr hätte die Idee zum gemeinsamen Ausflug sehr gefallen.
PEK_0917 PEK_0911

Mehr als satt nahmen wir am „Postheim“ eine weitere ehemalige Wohnung in Augenschein (Balkon oben links). Auf dem wurden damals Kaninchen gehalten, weil man Angst hatte, dass diese aus dem Schuppen geklaut worden wären. Nach dem Krieg wohl sehr wahrscheinlich. Mein Opa kam Ostern 1946 aus Kriegsgefangenschaft und genau dorthin. Die Familie hatte im Krieg zwei Standorte festgelegt, an denen Nachrichten für Familienmitglieder deponiert wurden, damit man sich wiederfinden konnte. Und so fand mein Opa dann zurück zur Familie.

Nach diesen Informationen tranken wir am Markt (gegenüber dem Rathaus, in dem Ines und ich ja 1984 geheiratet haben) Kaffee und gingen danach in die Templiner Therme, dessen salzig-warmes Wasser den Füßen und Knochen ganz gut taten.
Erholt, gewärmt und hungrig gingen wir abends zu einem ganz kleinen Italiener eine Pizza essen, um danach in aller Ruhe noch ein paar Bierchen zu genießen und  weiter zu quatschen.

PEK_0919 PEK_0920 PEK_0922
PEK_0926 PEK_0924

Ja – und nach dem Frühstück am Sonntag dann war die Zeitreise in die eigene Familie vorbei. Gruppenfoto mit Selbstauslöseer (Kamera auf dem Autodach, Auto verbotener Weise zwecks Mangel an Einwohnern zur Bildauslösung auf den Markt gefahren …) zum Abschluss. 3 Generationen Fröbel in Templin – und allen Generationen hat es eine Menge gegeben.

PEK_0932

About the author