DEGUWA Tagung in Unteruhlding – 2014

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Seit 2006 bin ich irgendwie dabei, mich intensiver und verantwortungsvoller mit dem Erbe Unterwasser zu befassen. Mitten in der Fertigstellung zum NAS 3, nutzte ich auch dieses Jahr wieder die internationale Tagung der DEGUWA, um Kurse zu belegen, interessante Menschen zu treffen und spannenden Vorträgen zu lauschen.

PEK_0260Aber von Anfang an.
Diesmal fand die Tagung am Bodensee statt. Nicht gerade um die Ecke von Berlin aus betrachtet. Es lohnt nur, wenn man auch die Vorveranstaltungen zum eigentlichen Kongress nutzt. Also beim Chef vorgesprochen und die Arbeit für Donnerstag und  Freitag vorgearbeitet, fernbetreut und was auch immer für pädagogisches Handwerk dann genutzt werden kann. Nur Unterrichtsausfall ging nicht. Zu Recht.
Aber es klappte und so fuhr ich Mittwoch nach der Arbeit mit dem Zug an den Bodensee, kam nach Mitternacht an und musste noch 3km wegen fehlenden Bussen und Taxen zum Hotel laufen, in dem Bernd schon wartete, der beruflich aus München anreisen konnte.

Donnerstag, Frühstück, Sonne und – das erste Mal Bodensee. Herrliche Luft, herrlicher Blick, große Freude, alte Bekannte zu treffen und in Hochspannung der kommenden Tage und Inputs bis Sonntag.

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auf dem Weg zum Pfahlbaumuseum

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im Museum

Begrüßt wurden wir vom Leiter der Einrichtung, Prof. Gunter Schöbel. Sehr nett und offen wie das ganze Team um ihn herum, dass sich sehr um uns alle bemühte. Von vielen zu beantworteten Fragen bis zur kulinarischen Umsorgung. Und es gab IMMER ausreichend Kaffee. Ich bin hier richtig, war mir sofort klar. 🙂
Das Konzept des fast seit 100 Jahren existierenden Pfahlbaumuseums musste sich über diese Zeitspanne oft anpassen. So auch an die heutige Zeit. Interessant, multimedial, experimentell – junge Menschen ansprechend und ältere erneut ins Museum ziehend. Das alles ist heute unter dem Begriff Museumspädagogik geführt – und sehr wichtig. Nur wenn es gelingt, viele Menschen für Kultur und zur Verantwortung ihr gegenüber zu begeistern, kann Kultur weiter vererbt werden. Auch aus dieser Sicht für mich als Pädagoge ein spannendes und vorallem sehr inspirierendes Wochenende. Prof. Schöbel lehrt das dann auch ua. an der Uni Tübingen.

Zum ersten Tag, seinen Inhalten und Erkenntnissen.
Wir lernten das Museum kennen, seine vermittelnde Methodik und seine experimentellen Ideen, Besucher einzubeziehen in Geschichte, Archäologie und Spaß an allem dabei zu haben.
Beginnen wir mit dem Archäolorama (Archäologie-Panorama). Eine Multimediavorführung, die uns allen den Mund offen stehen ließ. So begeistert udn fasziniert man jung und alt. Klang und visuelle Erlebnisse, geführt wie in einem Hörspiel, ließ einen vom Beginn eines Tauchgangs und seiner Planung, die archäologischen Überreste Unterwasser besuchen zu wollen in einen Raum eintreten, der die Unterwasserwelt wirklich spürbar machte. Dann von dort aus auftauchend betrat man den dritten Raum, der einem mitten in die Steinzeit alterliche Pfahlbausiedlung führte. Hautnah. Und als man dann aus dem inneren des virtuellen Hauses herausgeführt wird und die virtuelle Tür sich öffnet, geht auch real die Pforte auf und man steht quasi am und im Pfahlbaudorf. Gänsehaut. Wow einfach. Sehr sehr gelungen und durchdacht. Der Beginn einer Entdeckungstour, auf die man nun „heiß“ ist. Das Pfahlbaumuseum WILL nun erkundet werden.
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im Archäolorama

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und dann steht man plötzlich in Steinzeit alterlichen Pfahlbaudorf, real

Danach gab es eine Führung und viele Erklärungen zur Geschichte der Pfahlbauten und deren Kulturerbe, was in 111 weltweiten Siedlungen durch die UNESCO deklariert wurde. Zeitgemäß in Wort und medial aufbereitet hat sich das Museum in Unteruhlding sehr und erfolgreich hierbei hervorgetan.
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Ausstellung von Fundstücken, Visualisierung von Zusammenhängen, mehrsprachige Texterklärung, Videobegleitung …

In den Pfahlbauhäusern versucht man, Szenen, die es gegeben haben könnte, für die jungen Besucher anschaulich zu halten, aber auch Aktivitäten zu erlauben, Geräte anzufassen und zu benutzen. Wie zB. mittels Holunder und Sand zu bohren.
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Szenendarstellung

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Schleif- und Bohrhandwerkzeuge zur aktiven Erprobung

Wünsche der Gäste wurde evaluiert. Und die Ergebnisse auch umgesetzt. Während Eltern ggf. Ruhezonen wünschten, wollten die Kids natürlich Action. Also war die Konsequenz ein Aktivpark, der von Mitarbeitern begleitet, die Kinder eine „reale“ Steinzeitwelt erleben lassen, während sich die Eltern/ Großeltern am Zuschauen erfreuen 🙂
Kompromisse sind manchmal doch eine gute Idee.
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Schleif- und Bohrplatz
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archäologisches „Graben“ und Erfassen von Daten
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Fühlen, Suchen, Erkunden…

Und das alles wurde dann auch von uns real „ausgelebt“
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In anderen Bereich kann man selbst interessante Dinge zum Fischen erleben und viel über die Ursprünge des Netzfischens erfahren. ZB., dass die gefundenen Maschengrößen in Netzen aus Stein- bzw. Bronzezeit mit 36-45mm schon bzw. heute noch die gleiche Größe haben. Oder wie man diese Netze hergestellt hat.
An anderen Stationen kommen auch Erkenntnisse moderner Archäologie zum tragen, nämlich, dass man sich nicht „nur“ bzw. hauptsächlich auf keramische und dendrochrologische Untersuchungen bezieht, sondern vermehrt auch botanische und zoologische Funde einbezieht. Die Kinder durchlaufen genau diese 4 Stationen, um zu einem „wissenschaftlichen“ Erkenntnisgewinn zu gelangen. Spaß an wissenschaftlichen Methoden früh lehren und diese erfahren lassen – aktiv. Toll umgesetzt dort.
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Stationsbetrieb

Interessant und erlebnisreich waren auch die Arbeiten mit Stein- und Bronze-Axt am Einbaum. Das verwendete Holz war meist Eiche oder Buche, wobei man Roteiche vermeiden sollte. Verarbeitet wurde auch immer und fast ausschließlich nasses Holz, weil trockenes Holz die Werkzeuge zu schnell stumpf und verschleißen ließ.
Pro Haus benötigte man ca. 60 Pfähle. Im Museum sind etwa 4000 verbaut, von denen 60 pro Jahr ausgetauscht werden müssen. Je nach Holzart, Holzalter und Wuchs können Pfähle zwischen 10 und 100 Jahre halten.
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Werkzeuge im Einsatz: Stein- und Bronze-Axt
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die Pfähle werden wie bei Schlemm- bzw. Treibsand solange bewegt, bis sie durch Eigen- oder Zusatzgewicht eine bestimmte Tiefe erreicht haben (60cm bis mehr als 2m ggf), danach verdichtet sich der Untergrund schnell selbständig wieder und es hält „bombenfest“

Der Freitag führte uns als Exkursion nach Hemmenhofen ins dendrochologische Institut , nach Eschenz ins Museum und zur Insel Werd (UNESCO Weltkulturerbe) und nach Frauenfeld ins Archäologische Landesmuseum. Die Konton-Archäologen betreuten uns sehr herzlich und sehr informativ über ihre Arbeit. Und sie ließen auch Blicke hinter die Kulissen zu. Ein spannender Tag, der abends in einem kleinem Empfang endete.
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im Institut – für eine erfolgreiche Datierung sind mindestens 80 Jahresringe nötig

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Museum Eschenz und Weltkulturerbe auf der Insel Weid
die Funde selbst sind dort wieder zugedeckt, bis Gelder und Forschungsreserven vorhanden sind – ein Weltkulturerbe muss nicht unbedingt und immer auch touristisch präsentiert werden – guter Ansatz

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Landesmuseum für Archäologie Frauenfeld

Am Samstag und Sonntag präsentierten dann Wissenschaftler aus verschiedenen europäischen Ländern und Israel, ihre Ergebnisse der letzten Jahre. Sehr interessant und vielfältig. Von 3D Modellen aus Videos über neue Ansichten zu Logboats, zusammenhängenden Betrachtungen limnischer und maritimer Kulturlandschaften, Ergebnisse der Benutzung verschiedener Radare und Sonare, Siedlungsentwicklungen welt weit am Wasser, ….

Sehr sehr sehr interessant und informativ. Wieder eine erlebnisreiche Tagung, ein gutes Rahmen- und NAS 3 Programm sowie eine sehr nette und perfekte Bewirtung.

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Anbei Berichte in der Presse und das Tagungsprogramm als PDF

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